Nicht Fakten, sondern Denken lernen

Die Hochschule ist ein Experimentierfeld mit einem hochgradig verantwortlichen Realitätsbezug. Für mich ist die Technische Hochschule Lübeck der Ort, wo ich sowohl in der Lehre als auch in der Forschung wichtige gesellschaftspolitische Themen anstoßen und praktisch voranbringen kann. Hochschule ist nicht Selbstzweck, sondern ein wichtiger Katalysator für eine zukünftige, nachhaltige Gesellschaft.

Geistige und echte Reisen

Ich war schon immer neugierig, welche neuen Wege sich auftun, wenn man unterschiedliche Themen und Menschen miteinander verknüpft. Das tue ich hier Tag für Tag! Der Beruf Professor hat viele Höhen: Ich liebe es, als Architekt Studierende mitzunehmen, auf geistige und auch auf echte Reisen. Mein Alltag an der TH Lübeck ist immer wieder neu und abgesehen von den festen Vorlesungszeiten sehr flexibel. Wer diesen Beruf wählt, muss sich selber sowohl zeitlich als auch inhaltlich gut organisieren, motivieren und auch disziplinieren können. Mich erfüllt das, denn ich erledige hier nicht einfach einen Job, sondern ich lebe meine Berufung und bringe mit Freude und einer inneren Überzeugung Dinge voran, die mir wichtig sind.

Zusammenhänge "begreifen"

Die Lehre gestalte ich zunehmend interaktiv. Ich möchte, dass die Studierenden lernen, wie man Räume zum Leben und Arbeiten erstellt, die dauerhaft und nachhaltig sind. Mein Ansatz ist: Arbeite interdisziplinär, sei neugierig, verwende Materialien die bekannt sind, und entwickle daraus etwas Neues. Nicht Fakten, sondern Denken lernen! Im Tun werden die Zusammenhänge „begriffen“. In Lübeck werden häufig Bauingenieure und Architekten gemeinsam unterrichtet. Theorie trifft Praxis, learning by doing – das ist total mein Ding! Das Thema Nachhaltigkeit ist mir ein Herzensanliegen. Das ist kein Add-on, das wir delegieren können!

Interdisziplinäre Teams weltweit

Wichtig empfinde ich es, Studierende aus ihrer „Komfortzone heraus in Situationen zu führen, die sie nicht kennen, in denen Kreativität auf allen Ebenen gefordert ist. Exkursionen sind dafür oft ein geeignetes Mittel, wenn nicht nur betrachtet, sondern auch etwas getan wird. In Indien entwickelten wir innerhalb von wenigen Tagen ein Sanierungskonzept für ein Ayurvedisches Pflegezentrum. Beim ersten Solar Decathlon in Marokko haben wir mit unserem interdisziplinären, international besetzten Team „Afrikataterre“ innerhalb von drei Wochen ein solarbetriebenes und Haus für eine fünfköpfige Familie gebaut. Die zukunftsweisende Arbeitsweise wird sein: vom Ziel her denken, eigene Wege suchen, Hand- und Denkwerkzeuge selbst erarbeiten, Verantwortung übernehmen.

Heiner Lippe, Professur für Architektur an der TH Lübeck

Arbeitsschwerpunkte: Baubiologie, Lehmbau, Altbausanierung, gesundheitsverträgliche Baustoffe, ganzheitliches Bauen, Bestandsaufnahme, Bauuntersuchung, Energetische Gesamtkonzepte, künstlerische Gestaltung, nachhaltiges Planen und Bauen, Denkmalschutz und Holzbau, Planen und Bauen mit regionalen Baustoffen in sogenannten Entwicklungsländern.