Smart City

Auf dem Weg zur intelligenten Stadt

Optimierter Verkehrsfluss, digitale Hochwasserpegelmessung oder die Wassertemperaturen aller städtischen Schwimmbäder online einsehen, dies sind nur einige Beispiele für praktische Anwendungen in einer Smart City. Die Chancen sind gigantisch. Die TH Lübeck bringt sich dabei in zahlreichen Disziplinen ein und treibt die Entwicklung neuer Technologien aktiv voran.

In einem Positionspapier des Deutschen Städtetages heißt es, lebenswerte Städte seien smarte Städte. Dieser Schluss ergibt sich aus der Feststellung, dass intelligente Mobilität und nachhaltiger Klimaschutz ohne Datennutzung nicht mehr denkbar seien. Das unterstreicht auch Frank Schwartze, Professor für Städtebau an der TH Lübeck: Der Umgang mit den komplexen Herausforderungen der Zukunft erfordert ein Verständnis einer intelligenten Stadt. Digitale Technologien werden künftig die Zukunftsentscheidungen und Prozesse prägen.

Bisher hat es international noch keine Stadt geschafft, vollumfänglich zur Smart City zu werden. Allerdings gibt es Städte, die in Teilbereichen schon sehr weit sind: Barcelona setzt erfolgreich digitale Technologien zur Bürger*innenbeteiligung ein. Songdo, ein Stadtteil der südkoreanischen Metropole Incheon, überzeugt mit vernetztem Datenmanagement. Singapur ist ein Beispiel für eine klug organisierte Stadt, die auch, aber nicht nur, digitale Technologien einsetzt.

Doch Smart City ist nicht gleich Smart City. Das Kernziel der zahlreichen Prozessoptimierungen, die mit der Entwicklung zur intelligenten Stadt einhergehen, muss klar sein. Ob es um ein möglichst komfortables Leben, Ressourceneffizienz oder doch um eine möglichst weitgehende Kontrolle der Bürger*innen geht, beeinflusst alle weiteren Entscheidungen. Diese grundsätzliche Frage ist jenseits der technologischen Möglichkeiten zu klären und im Zweifelsfall für jede Anwendung neu zu definieren. Stadtplaner Schwartze hat dazu eine klare Haltung: Die Idee ist in meinen Augen gar nicht so stark das Thema einer automatisierten Welt, die uns ein sorgenfreies Leben bietet, sondern es ist vor allen Dingen das Thema einer intelligenten Stadt, die ihre Ressourcen vernünftig nutzt und damit sehr viel nachhaltiger wird.

Privates oder öffentliches Gut?

Doch eine Haltung zu den Kernzielen alleine reicht nicht aus: Grundlage der Smart City ist die Digitalisierung unserer Lebenswelten. Dabei stellt sich die Frage, wem die digitale Infrastruktur und die Daten gehören. Handelt es sich um ein öffentliches Gut, wie die Kanalisation und der Nahverkehr? Oder handelt es sich um ein privates Gut, das demjenigen gehört, der die jeweilige Anwendung besitzt?

Jens Meier ist der Geschäftsführer Stadtwerke Lübeck und glaubt, dass die Themen der digitalen Stadt Teil der Daseinsvorsorge für viele Menschen sind. Die Menschen erwarten, dass sie neben Zugang zu Energie, Wasser und öffentlichen Verkehrsmitteln auch Zugang zu Daten und zur Digitalisierung erhalten. Digitalisierung ist für Städte und für Regionen extrem wichtig, um ihre Attraktivität zu halten, so Meier.

Mit dieser Meinung befindet er sich in Deutschland in guter Gesellschaft. Deutsche Städte sind der Meinung, dass die Daten ein kollektives Gut seien, es gibt aber auch starke Player, die das anders sehen, sagt Schwartze. Während Daten bei privaten Plattformen und Messengerdiensten oftmals freigiebig geteilt werden, werden staatliche Anwendungen wie die Corona-Warn-App oder der digitale Personalausweis häufig kritisch beäugt. Die Diskrepanz zwischen der analogen Realität in vielen Ämtern und Behörden und den Ängsten der Bürger*innen davor, zu gläsern zu werden, stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. Ob privatwirtschaftlich oder öffentlich – der erste notwendige Schritt auf dem Weg zur Smart City ist die Digitalisierung der Prozesse.

IT-Sicherheit


Ein besonderes Risiko liegt in der IT-Sicherheit der Systeme. Diesen Aspekt unterstreicht auch Stadtwerke-Chef Meier: Wir als Stadtwerke arbeiten mit extrem vertraulichen Daten zur Versorgungssicherheit unserer Netze, der Energie und der Stabilität. Deswegen sehen wir uns auch als die Gatekeeper für Daten. Die Akzeptanz der Smart City hängt davon ab, ob man der Datensicherheit vertraut.

Zukünftig könnten Quantencomputer in der Lage sein, aktuelle Verschlüsselungsmechanismen auszuhebeln. Sören Werth, Professor für IT-Sicherheit, plädiert vor diesem Hintergrund für Konzepte zur sogenannten Kryptoagilität. „Das bedeutet, dass Sicherheitsmechanismen bei Bedarf ausgetauscht werden können“, erklärt Werth.
 
Aktuelle Verschlüsselungen beruhen häufig auf mathematischen Problemen wie der Primfaktorzerlegung, die Quantencomputer schnell lösen können. „Es ist neue Generation an Verschlüsselungsmethoden nötig – die Standardisierung neuer Verfahren läuft gerade weltweit“, schildert Werth.
 
So hat US-Präsident Biden in einer Executive Order das Ziel ausgegeben, durch den Austausch der Verschlüsselungsmethoden das Risiko durch Quantencomputer in den USA bis 2035 so weit wie möglich zu reduzieren. „Gerade für Strukturen wie Smart Cities ist diese Kryptoagilität und die Post-Quanten Kryptographie wichtig, denn hier werden voraussichtlich noch Jahrzehnte Daten aus vielen unterschiedlichen Quellen zusammengeführt und verarbeitet.“, betont Werth.


Auch Professor Andreas Schäfer ist Experte für IT-Sicherheit. Er empfiehlt offene Lösungen. Wenn wir möchten, dass die Menschen verstärkt Smart-City-Technologien nutzen können, dann muss die Möglichkeit bestehen, dass sie auf verschiedenen Systemen aufsetzen können. Idealerweise sollten verschiedene Anbieter zur Auswahl stehen. Und da ist es natürlich ganz wichtig, dass die Datenformate entsprechend offen sind, dass die Schnittstellen offen sind und dass es da verschiedene Möglichkeiten gibt, wie man interagieren kann.

Diese Offenheit unterstütze auch die Sicherheit der Systeme. Wenn man niemandem sagt, wie ein System funktioniert, werde es schwieriger für andere zu verstehen und auch eventuelle Fehler zu finden. Aber die Leute, die wirklich Fehler finden wollen, die finden sie dann unter Umständen auch, erläutert Schäfer. Dadurch, dass alle anderen Zugriff auf ein System erhalten und es ständig überprüfen wollen, wird es sicherer.

Das lokale Beispiel

Wir wissen als Stadt so viel über einen Bürger, wie kaum ein anderer, der Daten anlegt. Da haben wir einen enormen Schutzanspruch. Jan Lindenau, Bürgermeister der Hansestadt Lübeck.

Auch dem Lübecker Bürgermeister Jan Lindenau ist die IT-Sicherheit sehr wichtig: Wir wissen als Stadt so viel über einen Bürger, wie kaum ein anderer, der Daten anlegt. Da haben wir einen enormen Schutzanspruch. Gleichzeitig seien aber personenbezogene Daten stark zu unterscheiden von nicht-personenbezogenen Daten. Diese Daten sollen transparent und zum Nutzen der Bürger*innen verfügbar sein. Deswegen hat die Stadt in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken nun eine Smart City Plattform online gestellt. Dort können sich die Bürger*innen über den ÖPNV, Parkplätze, Besucher-Schlangen an Freibädern, Temperaturen und viele andere Dinge kostenlos informieren. Die Plattform ist nur die jüngste Maßnahme, die aus der Smart-City-Strategie der Stadt erwachsen ist.

Wie man zu einer Smart-City-Strategie kommt, was die größten Herausforderungen und ersten Erfolge sind, erläutert Bürgermeister Lindenau im Audio-Interview.

Stadtwerke-Chef Meier freut sich über die Entwicklungen: In den letzten Jahren hat in Lübeck eine unglaubliche Dynamik eingesetzt. Ich glaube, wir bewegen uns mit großen Schritten Richtung der smarten und intelligenten Stadt. Es gibt in Deutschland immer noch Städte, die uns in manchen Feldern ein Stück voraus sind, aber ich glaube, wir holen sehr, sehr schnell auf. Beispielsweise im Bereich der digitalen Infrastruktur, Stichwort Glasfaserausbau, WLAN, und bei der Netzinfrastruktur. Wo wir auch eine Vorreiterrolle haben, ist im Bereich Digitale Schule.

Sensoren für eine intelligente Stadt

Ein Grundpfeiler für die Lübecker ist das Funknetzwerk LoRaWan (long range wide area network), das die Stadtwerke in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum CoSA der TH Lübeck aufgebaut haben. Im Bereich der Sensorik ist die TH Lübeck absolut führend und die Zusammenarbeit macht große Freude, so Meier. LoRaWAN ist ein lizenzfreier Funkstandard. Die installierten Antennen (Gateways) schaffen eine kostengünstige Basis für zahlreiche intelligente Anwendungen. Die Technik ermöglicht vielseitige Anwendungen:

Beispielsweise kann sich ein Abfalleimer melden, wenn er geleert werden muss. Eine Ampel kann verlängerte Grünphasen ermöglichen, wenn der Verkehrsfluss in eine Richtung besonders stark ist und eine Straßenlaterne kann ihre Leuchtintensität daran anpassen, ob Autos oder Fußgänger in der Nähe sind. Die batteriebetriebenen Geräte sind so sparsam im Verbrauch, dass die Batterie erst nach vielen Jahren gewechselt werden muss.

Doch dies ist nur ein Einsatzfeld der Sensorik für die Smart City. Der Leiter des Kompetenzzentrums CoSA, Professor Horst Hellbrück, erklärt im Video, welche Einsatzszenarien möglich sind.

Software der Smart City

Ein weiterer entscheidender Baustein ist die Software der jeweiligen Anwendung. Dies ist der Tanzbereich der Informatiker-Professoren Andreas Schäfer und Nane Kratzke. Die Software ist das Rückgrat der Smart City, so Schäfer, mit Hilfe der Software steuern wir Prozesse.

Algorithmen können schon viel ohne die menschliche Komponente: Nane Kratzke beschäftigt sich mit der Aneinanderkettung verschiedener Algorithmen und technischer Services. Damit möchte er menschliche Schnittstellen reduzieren. Das hat den Vorteil, dass zum einen Ressourcen gespart werden, zum anderen Fehler vermieden werden können. Für Smart City Prozesse hochrelevant: Möchte man beispielsweise den Menschenstrom in einer Einkaufszone einer Stadt bestimmen, kann man das über komplizierte und teure Spezialgeräte machen. Alternativ kann man die Menschenströme über preiswerte Web-Kameras aufnehmen.

Diese Bild-Daten werden mit neuronalen Netzen zur sogenannten Object Detection ausgewertet. Diese Methode anonymisiert Bilddaten mit Personen automatisch, was viele Datenschutzprobleme vermeidet. Als Ergebnis wird beispielsweise ausgegeben, wie viele Erwachsene, Kinder und Hunde zu welchem Zeitpunkt wo waren. Die eigentlichen Bilddaten werden gelöscht.

Die Personenzahl kann anschließend an einen Steuerung-Services übergeben werden, der die Grünphasen einer Ampel steuert und die Grünphasen optimiert.

Dabei greift ein automatisierter Prozess in den anderen. Das setzt voraus, dass die Dienste wie kleine Zahnräder aufeinander abgestimmt sind, ansonsten kommt am Ende womöglich etwas völlig Falsches raus erläutert Kratzke. Die einzelnen Services versucht man dabei auf kleine, sinnvoll kombinierbare Einheiten - sogenannte Microservices - herunterzubrechen, die idealerweise Ergebnisse in standardisierten aber leichtgewichtigen Datenformaten bereitstellen.

Besonders erstrebenswert sind dabei wiederverwendbare Funktionalitäten, die sich wie aus einem Baukastensystem mit verschiedenen Systemen und Datenquellen koppeln lassen. So kann die Erkenntnis des Menschenstroms zum einen Grundlage für die lokale und situative Schaltung von Ampeln sein. Man kann dieselben Daten jedoch auch mit weiteren Daten kombinieren und zum Gegenstand komplexer statistischer Modellierung machen: Auto- und Radverkehr, Parkplatzsituation, Wetter, Besucher*innenzahlen der zentralen Attraktionen können analysiert oder Hundeanzahl mit Hundesteuer-Einnahmen abgeglichen und zueinander in Beziehung gesetzt werden.

Daten: Das Futter für eine intelligente Stadt

Daten sind Chancen für die Entwicklung von prädiktiven Systemen, ist sich Data Science Professor Max Zimmermann sicher. Professur für Data Science, Data Engineering, Machine Learning und MLOps an der Technischen Hochschule Lübeck.

Wie die erhobenen Daten in einer Smart City nützlich werden können, weiß Data Science Professor Max Zimmermann: Es sind alltägliche Hilfen, die eine Smart City zu leisten im Stande ist. Beispielsweise den Arbeitsweg schneller, angenehmer zu gestalten, fließenden Straßenverkehr zu garantieren, aber auch die intelligente Parkplatzsuche, um Zeitersparnis zu haben und das Leben nicht in Staus oder bei der Suche von Parkplätzen zu verbringen.

Der Datenwissenschaftler forschte beispielsweise an Bewegungs-Daten aus Mobiltelefonen. Aus diesen anonymisierten Daten kann er frühzeitig ableiten, ob und wann es zu Engpässen im Straßenverkehr kommt. Die Anwendung mündete in smarten Ampelschaltungen, die den Straßenverkehr unbehindert weiterfließen lassen. Wie genau die Datenverarbeitung und intelligente Ampelschaltungen funktionieren, erklärt Max Zimmermann im Interview.

Statistische Modellierung: Warum kommen Menschen in eine Stadt?

Ein Projekt der TH Lübeck mit der Wirtschaftsförderung Lübeck nutzt die von der Wirtschaftsförderung im Jahr 2021 an zehn Standorten auf der Altstadtinsel installierten Laserzähler. Die Zähler erfassen die Personenströme in der Altstadt, zudem liegen bestimmte Informationen zum Wetter, zum öffentlichen Nahverkehr und zur Parkplatzauslastung vor.

Die verwendeten Datenquellen liefern sehr unterschiedlich strukturierte Daten in unterschiedlicher Frequenz, Qualität und Detailtiefe. Professor Thomas Romeyke betreibt deshalb für das Projekt ein IT-System, mit dem die regelmäßig entstehenden Daten an ihren Quellen abgerufen, zielgerichtet transformiert und dann für die Auswertung in einer Datenbank bereitgestellt werden. Es ist in diesem Projekt wie in vielen anderen ‚Big-data‘-Projekten, sagt er. Die in der Realität erfassten Daten aus unterschiedlichsten Zusammenhängen passen üblicherweise nicht zusammen, eine sinnvolle Transformation ist praktisch immer notwendig, bevor eine verlässliche Auswertung möglich wird.

Professorin Karen Cabos nutzt die generierten Daten, um herauszufinden, welche Faktoren einen Einfluss auf die Anzahl von Personen in der Innenstadt haben. Ich möchte abbilden, welche Rahmenbedingungen die Innenstadt attraktiv für die Menschen machen, so Cabos. Um das herauszufinden, nutzt sie ein strukturelles Regressionsmodell. Damit ermittelt sie, wie stark sich unterschiedliche Variablen auf die Besucherzahlen auswirken.

Parkplätze, der öffentliche Nahverkehr, Jahres- und Uhrzeiten, das Wetter oder Großevents und andere saisonale Einflüsse berücksichtigt Cabos in ihrem statistischen Modell. Die Definition der Einflussfaktoren ist dabei ebenso wichtig wie die Datenbasis. Derzeit haben wir verlässliche Daten aus etwas mehr als einem Jahr, erklärt Cabos, daraus kann man schon einige Ergebnisse ziehen. Beispielsweise können wir jetzt schon eine relativ verlässliche Aussage dazu treffen, dass die Parkplatzsituation in der Kanalstraße einen stärkeren Einfluss auf den Publikumsverkehr in der Hüxstraße als in der Breiten Straße hat. Oder dass Monate mit einem hohen Aufkommen an Touristen durch einen überdurchschnittlichen Bedarf an Parkplätzen in der Innenstadt gekennzeichnet zu sein scheinen. Sondereffekte, wie den Einfluss der Corona-Maßnahmen oder des 9-Euro-Tickets können wir auf dieser Datenbasis jedoch noch nicht quantifizieren. Das wird erst in einigen Jahren möglich sein. Menschenströme und ihre Ursachen hängen stark mit der Verkehrssituation zusammen, haben aber auch eine große wirtschaftliche Bedeutung. Was macht Geschäftsflächen attraktiv? Welche Straßen und Geschäfte sind in der Weihnachtszeit besonders frequentiert? Was müssen wir machen, damit Menschen in die Innenstadt kommen?

Wirtschaftliche Steuerung der Smart City

Nils Balke betrachtet die Stadt durch eine wirtschaftswissenschaftliche Brille: Die Entwicklung zur Smart City ist zunächst einmal Technologie-getrieben, so der Professor für Controlling, Investitionen und Finanzierung, aber Technologie ist kein Selbstzweck, sondern muss einen Nutzen haben. Zum einen seien ökologische und soziale Aspekte zu beachten, zum anderen aber auch finanzielle. Die Smart City bietet viele Möglichkeiten, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, sagt Balke. Die regionalen Online-Marktplätze finde ich beispielsweise als Geschäftsidee ziemlich attraktiv. Es gibt eine große Gruppe an Menschen, die gerne ihre lokalen Geschäfte unterstützen möchte.

Für ihn als Controller ist es besonders interessant, die Smart City wirtschaftlich zu steuern. Er betrachtet die Stadt dabei als ein Netzwerk aus Institutionen, Personen, Unternehmen und weiteren Akteur*innen. Durch eine Kooperation baue ich im besten Fall Transaktionskosten ab, erläutert der Wirtschaftswissenschaftler. Indem Prozesse standardisiert werden, reduzieren sich die Reibungsverluste. Doch wie koordiniert man die Akteur*innen und welche Steuerungs- und Anreizsysteme kann man setzen?

Es reizt mich, die wirtschaftswissenschaftliche Methodik aus den Unternehmen auf die Stadt zu übertragen, so Balke. Außerhalb des Industriesektors bringt er seine Expertise insbesondere bei der Weiterentwicklung von Controlling-Strukturen in Kultureinrichtungen ein. Wir möchten den Kultureinrichtungen Instrumente an die Hand geben, ihre wirtschaftliche Situation transparent darzustellen, finanzielle Planungen von Ausstellungen, Aufführungen und Veranstaltungen flexibel anzupassen, Risiken zu erkennen, um so eine verbesserte Basis für Projektentscheidungen zu schaffen, erläutert Balke.

Smart City = Smarte Region

Für Lydia Rintz ist eine Stadt kein statisches Gefüge, sondern ein Ort, an dem Nutzungsformen immer wieder neu ausgehandelt werden. Rintz ist Architektin und Professorin für Städtebau und Entwerfen an der TH Lübeck. Städte sind immer auch ein Spiegel von gesellschaftlichen Entwicklungen und genau wie diese befinden sie sich in einem steten Fluß, sagt sie.

So hat sich das Familienbild in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert und neue Partnerschafts- und Familienformen haben sich etabliert. Eine Stadt ist aus meiner Sicht dann smart, wenn sie genug Flexibilität besitzt, solche Veränderungen aufzunehmen und entsprechend andere Wohnformen zu ermöglichen, erklärt Rintz. Für Stadtplaner*innen stellt das allerdings eine besondere Herausforderung dar, berichtet sie. Wir wissen beispielsweise heute noch nicht, mit welcher Art von Fahrzeugen wir uns in 30 – 40 Jahren hauptsächlich fortbewegen werden – müssen heute aber schon die Straßen dafür planen.

Rintz plädiert dafür, sich in der Planung daher nicht nur auf die Smart City zu beziehen, sondern den Blick auf das Umfeld zu erweitern. In der Stadtplanung sprechen wir in diesem Zusammenhang häufig von der Smart Region, sagt sie.

Bilanz ziehen

Professor Maximilan Schüler bekräftigt diesen Punkt: Wir dürfen die Smart City nicht getrennt von ihrem Umland denken. Schüler ist seit 2021 Professor für Umweltwissenschaften an der TH Lübeck. Einer seiner Arbeitsschwerpunkte liegt in der Erstellung von Ökobilanzen. Um die Ökobilanz für eine Stadt zu erstellen, müssen viele verschiedene Material- und Energieströme berücksichtigt werden – diese Lieferbeziehungen enden meist nicht an der Stadtgrenze, schildert Schüler.

So brauchen die Bewohner*innen einer SmartCity Lebensmittel, Baumaterialien und Elektrizität – all das wird häufig nicht innerhalb der Stadt selbst produziert. Aus Sicht des Umweltwissenschaftlers Schüler wird eine Stadt zur SmartCity, wenn diese Beziehungen unterm Strich keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt haben. Das Stichwort hier lautet zero impact, erklärt Schüler.

In der modernen Stadtentwicklung sieht er verschiedenen Trends, um das Ziel eines zero impacts zu erreichen. Große Industrieunternehmen etwa aus der Automobilbranche entwickeln gerade Szenarien, wie die industrielle Produktion wieder in die Städte zurückgeholt werden kann. Und an vielen Orten wird versucht, auch die landwirtschaftliche Produktion wieder stärker innerhalb von Städten zu verankern, berichtet Schüler.

Um die Herausforderungen beim Wandel hin zur SmartCity zu bewältigen, braucht es für Schüler vor allem vernetztes Denken. Diese vernetzte Herangehensweise ist ein Kernbereich unserer Studiengänge – wir möchten unsere Studierenden dazu befähigen und ermutigen, über den Tellerrand hinauszublicken und Lösungen für die Probleme von morgen zu finden, so Schüler.

Ausblick

Die Smart City kommt unweigerlich. Es liegt in unserer Hand, sie zu gestalten. Stadtplaner Frank Schwartze beschäftigen insbesondere die Interessensabwägungen zwischen den jeweiligen Optimierungszielen:

Schaffen wir es, die Smart City Technologien zur Verbesserung und einem nachhaltigen Leben in unseren Städten zu nutzen, oder nutzen wir sie eher als Gadgets, um unseren Komfort zu erhöhen? Wird der Verkehr flüssiger, damit ich noch mehr Auto fahren kann oder wird die Technologie so eingesetzt, dass der Ressourcenverbrauch verringert wird? Schaffen wir es, Strukturen zu schaffen, die unsere Bürger:innen befähigen, an den Entscheidungen zu partizipieren?

Fest steht, dass wir am Beginn eines komplexen gesellschaftspolitischen Umbruchs stehen. Die Digitalisierung wird niemanden mehr in Ruhe lassen. Erfolgreich wird die Smart City als künftige Lebenswelt jedoch nur, wenn wir Mensch und Technik zusammen denken und unsere Ressourcen im Blick behalten.

Expertisen der TH Lübeck

Wir haben die Expertise in der Informatik, die die Grundlagenwissenschaft für die Smart City ist. Wir haben die Expertise, digitale Technologien zu entwickeln, die in Smart Citys zur Anwendung kommen können. Wir haben die Expertise im konkreten Gebäudebestand und im Mobilitätssektor. Darüber hinaus können wir die digitalen Möglichkeiten in der Infrastruktur tatsächlich umsetzen. Die Verknüpfung zwischen Maschine und Stadt gelingt mit uns. Wir haben die Expertise in wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhängen hinter der Smart City.

Institut für Interaktive Systeme (ISy)

Das Institut für Interaktive Systeme (ISy) ist eines der Kompetenzzentren der TH Lübeck. Mit rund 30 Mitarbeiter*innen führen wir zahlreiche drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte rund um die Entwicklung interaktiver Systeme und Technologien durch.

Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Themen digitale Bildung, computergestützte Kommunikation und Kooperation und Human-Centered Design.

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Kommunikation, Systeme, Anwendungen (CoSA)

Seit mehr als 10 Jahren erforscht und entwickelt das Kompetenzzentrum CoSA Kommunikationssysteme, verteilte Systeme und deren Anwendungen. Damit unterstützen wir erfolgreich regionale Partner in der Wirtschaft in gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsprojekten.

In über 25 Kooperationsprojekten wird intensiv und erfolgreich mit Unternehmen in angewandter Forschung zusammengearbeitet.

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Angewandte Business Analytics

Ziel der Aktivitäten der Fachgruppe Angewandte Business Analytics ist die Stärkung der Anwendung quantitativer Methoden in Projekten mit der regionalen Wirtschaft und in der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre.

Dazu werden in anwendungsorientierten Forschungsprojekten Lösungen für datenbasierte Unternehmensentscheidungen erarbeitet, die auch von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) umgesetzt werden können.

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Angewandte Wirtschaftswissenschaften (IAW)

Das Institut für Angewandte Wirtschaftswissenschaften des Fachbereichs Maschinenbau und Wirtschaft bündelt die Forschungs- und Projektkompetenzen in den Wirtschaftswissenschaften und der Betriebswirtschaftslehre am Fachbereich. Die interdisziplinäre Struktur des Instituts bündelt die einschlägigen Kompetenzfelder der Wirtschaftswissenschaften/BWL unter einem Dach und unterstützt somit die übergreifende Zusammenarbeit.

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Cyber-Physical & Human Systems

Die Fachgruppe Cyber-Physical & Human Systems (CPHS) bestehen aus cyber-physischen Rechnersystemen und dem Menschen. Cyber-Physical Systems (CPS) entstehen aus der Vernetzung eingebetteter Systeme durch drahtgebundene oder drahtlose Kommunikationsnetze.

Die multidisziplinäre Forschung von CPS sieht folgende Einsatzfelder: medizinische Systeme, Assistenzsysteme, Steuerungs-, Automatisierungs- und Logistiksysteme, Sicherheitssysteme, Umweltbeeinflussungs- und Beobachtungssysteme, Kommunikation und Kultur z.B. im Rahmen eines digitalen Zwillings.

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Intelligente Energienutzung

Das Wissenschaftszentrum für intelligente Energienutzung (WiE) ist eine Einrichtung für Forschung, Transfer, Bildung und Dialog im Themenfeld einer modernen Energieversorgung und Energiewirtschaft.

Das WiE befasst sich mit technischen und wirtschaftlichen Aspekten im Kontext der Energiewende, wie Smart Grids, dem intelligenten Ausbau der Energieinfrastruktur und einer intelligenten regionalen Energienutzung.

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IT-Sicherheit

Die Digitalisierung hilft uns, in allen Lebensbereichen Potenziale für mehr Wohlstand, Lebensqualität und Nachhaltigkeit auszuschöpfen. Dadurch gewinnen IT-Sicherheit, Privatsphäre und Datenschutz in der Arbeitswelt als auch im Alltag einen immer höheren Stellenwert.

Die Fachgruppe IT-Sicherheit verankert das Querschnittsthema IT-Sicherheit in der Forschung, fördert den Wissenstransfer in die Wirtschaft und integriert das Thema in die Präsenz- und Online-Lehre.

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Künstliche Intelligenz in der Anwendung (KIA)

Mit einer breiten fachlichen Expertise aus allen Fachbereichen der THL und Anwendungsbereichen der Künstlichen Intelligenz (KI) wollen wir KI entzaubern und deren Möglichkeiten und Herausforderungen praxisbezogen untersuchen, demonstrieren und anwenden.

Unser Bestreben ist es, KI pragmatisch und zielführend in unterschiedlichsten Szenarien zur Anwendung zu bringen. Unsere KI-Leitlinien lenken uns dabei innovative Anwendungsfälle mit Partnern zu identifizieren und diese verantwortlich, sicher, nachvollziehbar und Nutzer-zentriert zur Anwendung zu bringen.

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Nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben

Das Bauen und Betreiben von Gebäuden bedingt zwangsläufig Eingriffe in die Umwelt. Nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben ermöglicht es, diese im Rahmen der Leistungsgrenzen unserer Erde umzusetzen. Dabei bildet der Erhalt unseres natürlichen Lebensraumes die Grundlage, auf der sozialer und wirtschaftlicher Mehrwert für die lokale, regionale und globale Gesellschaft geschaffen werden kann.

Hierfür ist die Nutzung natürlicher Ressourcen und die Erhaltung verträglicher klimatischer Verhältnisse dauerhaft zu gewährleisten.

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Stadt

Die Fachgruppe Stadt setzt sich aus den Fachgebieten Soziologie der gebauten Umwelt, Städtebau und Entwerfen, Städtebau und Planung sowie Baugeschichte und Stadtbaukultur zusammen. Ziel ist es, durch enge Kooperationsbeziehungen einen interdisziplinären Zugang zu Formen und Prozessen der Stadtentwicklung und des Städtebaus in Lehre, Forschung und im Praxistransfer zu verfolgen.

Die Fachgruppe Stadt ist dem Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung verpflichtet und beschäftigt sich in Lehre und Forschung mit Fragestellungen auf allen räumlichen Maßstabsebenen

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Umwelt- und Klimaschutz

Die Fachgruppe Klima- und Umweltschutz der TH Lübeck wurde als Initiative des Bereichs Umweltingenieurwesen und –management mit dem Ziel gegründet, einen Beitrag zur konkreten Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen im praktischen Umwelt- und Klimaschutz zu leisten.

Dies wird angestrebt einerseits durch Forschungsarbeiten und Dienstleistungen und andererseits durch die Förderung des systemischen Denkens und der Vermittlung praxisnaher und nachhaltiger Methoden in der Lehre.

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Vernetztes Planen, Bauen und Betreiben

Bauprojekte sind geprägt durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Baubeteiligten. Daraus resultiert eine große Anzahl von Schnittstellen, welche einer reibungslosen und wirtschaftlichen Planung und Durchführung und dem Betreiben von Bauprojekten oftmals entgegenstehen. Vernetztes Planen, Bauen und Betreiben wird somit in Zukunft unausweichlich sein. Gleichzeitig wird durch die zunehmende Digitalisierung das Thema Building Information Modeling (BIM) in den nächsten Jahren bei allen Bauakteuren stark im Fokus sein.

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Redaktionshinweis

Redaktion: Theresia Lichtlein, Johanna Helbing, Markus Zens
Übersetzungen: Jochen Herzog
Grafik: Linda Lu Wulf, Astrid Leu
Video: Nils Kurth
Web: Bastian Grümmert

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