Ukrainische Vertriebene an Schleswig-Holsteiner Hochschulen

Bildungsministerium und TH Lübeck luden zu digitalem Austausch mit Vertriebenen aus der Ukraine, Akteur*innen aus Wissenschaft sowie Politik am 29. November ein

Viele fleißige Helfer*innen packten am 28. November mit an und sortierten die Spenden der TH Lübeck für die Partnerhochschule in Chernowitz. Foto: TH Lübeck

Viele fleißige Helfer*innen packten am 28. November mit an und sortierten die Spenden der TH Lübeck für die Partnerhochschule in Chernowitz. Foto: TH Lübeck

Der digitale Austausch diente der Vernetzung der verschiedenen Akteur*innen. Foto: TH Lübeck

Der digitale Austausch diente der Vernetzung der verschiedenen Akteur*innen. Foto: TH Lübeck

„Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich in einem Land lebe, in dem Krieg ist. Und dieses Land ist im 21. Jahrhundert in der Mitte Europas“, sagt Serhij Lukanjuk, (Jurij-Fedkowytsch-Universität, Czernowitz). Der Leiter des International Office berichtet im digitalen Austauschtreffen zur Situation ukrainischer Vertriebener an den Schleswig-Holsteiner Hochschulen am 29. November 2022 über die aktuellen Geschehnisse an der Partnerhochschule der TH Lübeck. Muriel Helbig, Präsidentin der TH Lübeck und Vizepräsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), hat in Zusammenarbeit mit dem Schleswig-Holsteiner Bildungsministerium verschiedene Akteur*innen eingeladen. Ziel des Austauschs ist die Koordination der Akteur*innen für eine effektive Hilfe für Vertriebene des russischen Angriffskriegs.

Anders als 2015

Gleich zu Beginn des Treffens erläutert Helbig die Unterschiede zwischen der Fluchtbewegung 2015 und der heutigen Situation: Hatte der DAAD im Frühjahr noch mit etwa 100.000 ukrainischen Studierenden und Wissenschaftler*innen gerechnet, sind im November 2022 deutlich weniger Ukrainer*innen tatsächlich an den Hochschulen angekommen. „Die Ukrainer*innen sind durch digitale Angebote noch sehr viel stärker mit ihren Heimatinstitutionen verbunden, als das syrischen Geflüchteten 2015 waren“, erörtert Helbig die Gründe. Außerdem seien die Aufenthaltszeiten in Deutschland deutlich kürzer, da sie öfter zurück in die Ukraine reisten.

Dies bestätigt auch Dirk Gärtner, Direktor des Landesamts für Zuwanderung und Flüchtlinge Schleswig-Holstein. Aktuell sei das Zuwanderungsgeschehen überschaubar. In den Landeseinrichtungen seien derzeit nur rund 300 ukrainische Vertriebene untergebracht. „Im August gab es deutlich mehr ukrainische Vertriebene, die haben sich allerdings nicht lange in unseren Einrichtungen aufgehalten“, erläutert Gärtner. Allerdings gebe es regional sehr große Unterschiede bei der Aufnahmesituation.

Mehr Vertriebene im Winter?

Diese Lage kann sich jedoch bald verändern: Lukanjuk berichtet von Aufrufen der ukrainischen Regierung, dass diejenigen, die es einrichten können, das Land über den Winter verlassen sollen. Hintergrund ist die anhaltende Zerstörung ukrainischer Infrastruktur durch die russische Armee. Auch die digitale Lehr- und Lerninfrastruktur ist davon betroffen. „Ohne Strom gibt es keine Digitalisierung“, bringt Lukanjuk es auf den Punkt. Er wünscht sich, dass deutsche Hochschulen ukrainische Studierende oder Wissenschaftler*innen für zwei Wochen bis sechs Monate aufnehmen.

Auch Viviane Salzmann-El Bechri (DRK, Bad Segeberg) berichtet von einer Veränderung in den letzten Wochen: „Oft nutzen die Studierenden in den ersten Monaten die digitalen Angebote ihrer Heimathochschule. Gerade in den letzten Wochen haben viele ukrainische Studierende keinen Kontakt mehr zu ihren Heimatunis, weil keiner mehr vor Ort ansprechbar oder die Infrastruktur zerstört ist.“

Leid lindern

„Die Hochschulen versuchen, das große Leid, das mit dem Krieg verbunden ist, zu lindern“, sagt Karin Prien, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein. Die ukrainischen Studierenden Tetiana Halus, Gusev Oleksiy und Sofiia Samorodova der FH Kiel bestätigen dies und berichten von einem guten Start in Deutschland. Sie haben insbesondere über persönliche Beziehungen nach Deutschland gefunden. Eins der größten Knackpunkte seien noch die Sprachbarrieren. Die zu beseitigen, steht auch für das Bildungsministerium im Vordergrund: Hier ist eine schrittweise Aufstockung der Mittel im Haushalt geplant.

Doch die Gesprächsrunde zeigt auch Anknüpfungspunkte für weitere Schritte auf: Wohnungsnot, Kinderbetreuung und die Versorgung mit Internet sind ebenfalls relevante Themen für Vertriebene. Außerdem brauchen die Vertriebenen Stipendien und Beratung, um sich im deutschen System zurechtzufinden.

„Die Unterstützung ist gut und gleichzeitig brauchen wir noch weitere Hilfe: Insbesondere benötigen wir diplomatische Unterstützung und Spenden aus Deutschland“, sagt Student Gusev Oleksiy.

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