Ein Kassettenrekorder für den Teilchenbeschleuniger

Ein Team der Technischen Hochschule (TH) Lübeck konstruiert ein Gerät, das die Analyse von Proteinstrukturen vereinfacht

Auf dem Bild sieht man die Stadt Grenoble von oben.

Das ESRF steht in Grenoble, Frankreich, und zieht Forscher*innen aus aller Welt an. Foto: ©florent – stock.adobe.com

Eine Gruppe um TH Lübeck Forscher Prof. Dr. Manfred Rößle hat eine neue Probenumgebung für das ESRF (European Synchrotron Radiation Facility) entwickelt, dem größten Elektronensynchrotron Europas. Künftig können Nutzer des Strahlgangs ID29 am ESRF das sogenannte Blotting-Tapedrive der TH Lübeck nutzen, um snapshot-artige Filme von Proteinstrukturen zu gewinnen.

„Ausgangspunkt für unser Experiment ist die serielle Kristallographie“, sagt Mia Lahey-Rudolph, die die Untersuchung leitete. „Mit dieser strukturbiologischen Methode kann die atomare Struktur von Proteinen untersucht werden“, schildert sie. Die hochauflösende Proteinstruktur kann Forschenden etwas über die Funktionsweise dieser Biomoleküle verraten. Das liefert nicht nur neue Einblicke in die Biologie, sondern kann zum Beispiel auch die Grundlage für die Entwicklung maßgeschneiderter Medikamente bilden.

Ein wichtiges Werkzeug zur Analyse der atomaren Struktur von Proteinen ist die Röntgenkristallographie, bei der ein Proteinkristall mit einem hellen Röntgenstrahl durchleuchtet wird. Der Kristall beugt das Röntgenlicht auf charakteristische Weise und erzeugt damit ein Diffraktionsbild. Sind alle Blickwinkel des Kristalls aufgenommen lässt sich hieraus in atomarer Auflösung die innere Struktur des Kristalls und die dreidimensionale Faltung des Proteins berechnen.

Für die meisten Biomoleküle ist es allerdings ein unnatürlicher Zustand, in einen Kristall gezwängt zu werden. Je kleiner ein Kristall ist, desto intensiver muss das Röntgenlicht sein, um brauchbare Diffraktionsbilder zu erzeugen.

„Ein weiterer Knackpunkt bei diesen Untersuchungen ist es, wie die Proben mit den Mikrokristallen zur Strahlenquelle gelangen“, schildert Mia Lahey-Rudolph. Zusammen mit Suna Precision konstruierten die Forscher der TH Lübeck ein Gerät, das an einen Kassettenrekorder erinnert, das „Blotting Tapedrive“. Bei diesem Tapedrive bleibt ein perforiertes Polymerband in ständiger Bewegung und wird dabei laufend mit frischen Mikrokristallen beschickt, während ein zweites Band die Lösungsflüssigkeit vor der Röntgenwechselwirkungszone abstreift, sodass quasi nackte Kristalle bestrahlt werden. „Unser Ziel ist es, zeitaufgelöste Strukturänderungen, die durch Lichtaktivierung, Ligandenmischung oder pH-Sprünge in den kristallisierten Proteinen induziert werden, sehr schnell und mit einem hohen Signal-Rausch-Verhältnis zu untersuchen", erklärt Mia Lahey-Rudolph, Wissenschaftlerin an der TH Lübeck.

Das Forschungsteam der TH Lübeck hat dank einer Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Möglichkeit bekommen, den Messaufbau in Kooperation mit dem ESRF zu verbessern. Das ESRF steht in Grenoble, Frankreich und zieht Forscherinnen und Forscher aus aller Welt an.

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