Studierende bauen Modulhäuser für ukrainische Geflüchtete

Ein ganzes Semester lang entwarfen Studierende des Fachbereichs Bauwesen der Technischen Hochschule (TH) Lübeck Unterkünfte für Geflüchtete. Die Gewinnerentwürfe werden nun beispielhaft aufgebaut, erprobt und optimiert. Die Studierenden stellen ihre Arbeit beim Hamburger Architektursommer 2023 und bei der NORDBAU 2023 vor.

Fynn Schaper und Johanne Lüdemann überzeugten die Jury mit ihrem Prototyp für den Architektursommer in Hamburg, der später in die Ukraine transportiert und vor Ort genutzt wird. Zu sehen ist die Außenperspektive. Grafik: Lüdemann, Schaper

Schaper und Lüdemann versahen die Fassade mit Holz. Zu sehen ist die Außenperspektive. Grafik: Lüdemann, Schaper

Auch im Innenraum dominieren hölzerne Elemente. Grafik: Lüdemann, Schaper

Der Schreibtisch kann beliebig variiert werden. Grafik: Lüdemann, Schaper

„Unity–Drop your pencils! Unite! And Re-Build!“, so lautete der Appell, den der Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure, kurz BDB, im Wintersemester 22/23 an Studierende der TH Lübeck, der TU Darmstadt und der Universität Kassel richtete. Die Aufgabe: Geflüchteten eine menschenwürdige Unterkunft auf Zeit bieten. „Wir wollten aktiv werden und den Geflüchteten einen Wohnraum bieten –  und das fernab von Stahl-Container-Lösungen“, sagt Stefan Gruthoff, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Bauwesen der TH Lübeck und Initiator des Projekts „Unity“. Gemeinsam mit Florian Müller, einem ehemaligen Architektur-Absolventen der TH Lübeck rief er das Projekt Unity ins Leben. Fynn Rösch, ein Alumni des Studiengangs Bauingenieurwesen an der TH Lübeck, ließ sich ebenfalls für das Projekt begeistern und stieß als Tragwerksplaner dazu.

Vom Entwurf bis zum Eins zu Eins Modell

Prof. Stephan Wehrig und Stefan Gruthoff (Fachbereich Bauwesen der TH Lübeck) stellten den Studierenden im Kurs „Entwerfen und Konstruieren“ das Projekt Unity als Thema für das Wintersemester 22/23 vor. Die Studierenden hatten die Aufgabe nach der Entwurfsvorlage der Architekten Slava Balbek aus Kiew eine Aussenraumgestaltung mit neuer Fassadenidee zu entwerfen und ein Innenraumkonzept zu gestalten. Zusätzlich zur Konstruktion des Moduls, haben die Studierenden eine Bauanleitung für die Innenausstattung und die Möbel entwickelt. Die Module sollen als schnelle Hilfe vor Ort zum Beispiel als Bausatz in die Ukraine geliefert werden und sind so konzipiert, dass Laien sie mit Akkuschrauber und Kleingerüst zusammenbauen können.

Die Gewinnerentwürfe

Zum Ende des Semesters traten die Studierenden mit ihren Entwürfen im Wettbewerb gegeneinander an. Neben Stefan Gruthoff und Prof. Wehrig saß zusätzlich Arne Kleinhans, der Leiter der Abteilung Bauen und Wohnen des Ministeriums für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport, in der Jury. Zwei Studierendenteams konnten sich durchsetzen. Fynn Schaper und Johanne Lüdemann überzeugten die Jury mit ihrem Prototyp für den Architektursommer in Hamburg, der später in die Ukraine transportiert und vor Ort genutzt wird. „Die Arbeit von Johanne Lüdemann und Fynn Schaper leistet sowohl mit im Fassadenkonzept einen wichtigen Beitrag für eine Aktivierung und Aufwertung des städtebaulichen Raums als auch mit ihrem innenarchitektonischen Konzept, welches auf sehr emphatische Weise Geborgenheit und notwendige Flexibilität im Alltag verbindet“, sagt Prof. Stephan Wehrig. „Zudem erwarten wir eine sehr gute und praktische Umsetzung im Rahmen des Projektes Unity, da die Studierenden einen hohen und verbindlichen Detaillierungsgrad im Ausbaukonzept abgeliefert haben“, ergänzt Stefan Gruthoff.  

Für die diesjährige NORDBAU wählte die Jury den Entwurf von Lenke Blendermann und Hanna Winkelmann. „Die Arbeit von Lenke Blendermann und Hanna Winkelmann zeigt beispielgebend eine qualitätvolle und ausgewogene Gestaltung eines familiären Wohnens auf nur 18 Quadratmetern. Dabei wird weniger auf eine hohe Flexibilität der Möblierung, als auf eine kluge und stabile Zonierung des Innenraums gesetzt, die gekonnt gemeinschaftlichen Raum, notwendigen Stauraum aber auch private Rückzugsorte anbietet“, sagt Stephan Wehrig. „Ebenso gewährleistet das Material-und Möblierungskonzept eine hohe Aufenthaltsqualität und schafft zahlreiche Angebote für eine persönliche Aneignung des Wohnraums“, fügt Stefan Gruthoff hinzu.

Derzeit arbeiten die die angehenden Architekt*innen und Bauingenieur*innen studiengangsübergreifend daran, die Module fertigzustellen. In der Architektur arbeiten sie im Modul „Realbaulabor“ unter der Leitung von Stefan Gruthoff an den Unterkünften und im Bauingenieurwesen bekommen sie im Modul „Baubetrieb“ unter Anleitung von Helmut Offermann (sowie Constanze Borghoff und Philipp Wolter-Ebener) neben dem Bauen verschiedenen Themen wie der Kreislaufwirtschaft, dem CO2-Fußabdruck und Logistik an die Hand.
 
Vom 17. Juni bis zum 08. Juli präsentieren die studentischen Teams der TH Lübeck, der TU Darmstadt und der Universität Kassel im Rahmen des Hamburger Architektur Sommers ihre Module auf dem Gelände vor den Deichtorhallen. Im Anschluss werden die Exponate nach Lwiw in die Ukraine transportiert und dort an das Architekturbüro „Bureu Balbek“ übergeben.

Die Eröffnung der Ausstellung findet am 17. Juni ab ca. 12.30 Uhr statt, bei der die Studierenden die Funktionsweise ihrer Wohnmodule erklären. Mit dabei: Der ukrainische Architekt Slava Balbek von balbek bureau. Die Planer*innen aus Kyiv haben mit ihrem Projekt „Re:Ukraine“ die Grundlage für das Projekt „Unity!“ gelegt. Das zweite Modulhaus wird im Rahmen der NORDBAU Messe 2023 vom 06. bis 10. September in Neumünster gezeigt.

Weitere Informationen

Die Projekte Re:Ukraine und Unity